Geschichte

Geschichte

Das Dorf Velgast ist im Ursprung mit Sicherheit eine slawische Siedlung. Wahrscheinlich gehört es zu den ältesten Siedlungen im Gebiet des alten Vorpommerns.

Der Ortsname wurde von dem altslawischen Begriff „velki gast“ mit einer deutschen Bedeutung im Sinne von „großer Hain“ abgeleitet.

1305 hieß der Ort Velegost. 1312 Velegast und 1314, 1383 und 1385 erscheint der Name in verschiedenen Urkunden in seiner heutigen Form.

1242 wurde Velgast zum ersten Mal urkundlich erwähnt, als Fürst Wizlaw I. von Rügen die Dörfer Starkove (=“alter Ort“, heute Starkow), Rativuritze (= freudiger Ort“, heute Redebas), Karnin (=“strafender/unwirtlicher Ort“) und Velegast (Velgast) dem Magister Ivan verkaufte und ihm die Güter zu Erb- und Lehnrecht einschließlich dem Patronat der zu erbauenden Kirche verlieh.

Magister Ivan begründete das ranische Adelsgeschlecht derer von Starkow, die oft auch Ämter am Fürstenhof ausübten. Als dies Geschlecht ausstarb, kam das Dorf in landesherrlichen Besitz. Die Dorfkirche von Starkow war eine der ältesten im festländischen Teil des Fürstentums Rügen.

Velgast, das slawische Velgast, war im Fürstentum Rügen Teil des bedeutenden ranischen Siedlungszentrums Barth, gehörte aber zur Gardvogtei Tribsees. Fürst Bogislac Erste Beherrscher des Landes waren die Fürsten von Rügen und des Landes Barth, denen zeitweise auch das Land Tribsees gehörte. Als der letzte Fürst von Rügen, Wizlaw III., 1325 ohne Erben starb, fiel das Land aufgrund eines Erbvertrages an die Herzöge von Pommern. Velgast war nun Teil des Herzogtums Pommer-Wolgast.

Das einzige noch erhaltene Bauwerk aus jener Zeit ist die Kirche. Sie wurde gegen Ende des 14. Jahrhunderts, wahrscheinlich von Mönchen des Klosters Neuenkamp (heute Franzburg) gebaut. Die Bauarbeiten haben Jahrzehnte gedauert. Es ist spätgotischer Backsteinbau mit Feldsteinfundamenten. Die Sakristei an der Nordseite stammt aus späterer Zeit. Der jetzige Glockenstuhl stammt aus dem Jahr 1828. 1925 hat die Kirche neue Glocken erhalten. 1533 hielt Johann Block, der Reformator von Barth, dort die erste lutherische Predigt, und 1560 nennt auch das Velgaster Kirchenarchiv den ersten lutherischen Prediger.

Dicht neben der Grenze des Pfarrhofes, ungefähr auf dem hinteren Teil des heutigen Grundstücks Straße der Jugend 9, lag mit seiner Längsachse in Nord-Süd-Richtung ein mächtiger Stein, fast 4 Meter lang, 2 Meter breit und ungefähr 1,30 Meter aus der Erde ragend. Um ihn herum war eine Anzahl weiterer Steine verschiedener Größen in einer Art angeordnet, die das Ganze als Reste einer wendischen Kultstätte erkennen ließen. In den alten Unterlagen des Kirchenarchivs wird der Stein als „umgestürzter Opferstein“ bezeichnet. Wahrscheinlich wurde in Velgast eine wendische Waldgöttin verehrt.

Noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erzählte man sich im Ort, mittags um 12:00 Uhr ginge im Garten des Pfarrhauses eine schwarz gekleidete Dame umher, – vielleicht ein Hinweis auf einen solchen alten Kult. Leider ist der große Stein 1824 gesprengt worden, und auch die übrigen Steine der Anlage sind mit der Zeit verschwunden.

Kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg saßen in Velgast 20 Bauern zu je einer Hufe, außerdem 6 Kossaten, die weniger Land hatten, zusammen nur 2 Hufen. Eine pommersche Hufe hatte ungefähr 30 pommersche Morgen, das entsprach 75 preußischen Morgen, ca. 18,75 ha. Außer der Kirche steht aus dieser nur ein Haus in der alten Schulstraße Nr. 34. In einen Eckbalken seines Fachwerks ist die Jahreszahl 1612 eingeschlagen.

Das Gebiet um Velgast wurde im Dreißigjährigen Krieg durch Wallensteins Belagerung von Stralsund im Jahre 1628 besonders in Mitleidenschaft gezogen. In der weiteren Umgebung Stralsunds waren große Truppenteile einquartiert, hausten wie in Feindesland und sogen das Land völlig aus. Viele Ortschaften wurden vollständig vernichtet.

Auch Velgast wurde wiederholt geplündert. Schon 1628 und 1629 wurde das Dorf verwüstet. Nachdem die schlimmsten Schäden behoben waren, kam es 1637 wieder zu schweren Plünderungen durch schwedische Truppen. Alle Einwohner flüchteten. In einem alten Bericht des damaligen Pfarrers heißt es: „Indessen ist diese Verwüstung nicht den Kriegsleuten allein zuzuschreiben gewesen, sondern etliche wohlbewusste hätten sich zu gewissen Zeiten auch wöchentlich wohl zu zweien Malen so zu Fuß und bald zu Wagen aus der Stadt anhero gemacht und sowohl aus der Kirche als von der Wieden an allerhand hinterlassenen und übrig gebliebenen Geräthe weggeschafft und bei vielen Fuhren weggeführet, auch an Eisenzeug aus der Wieden und der Kirche abgebrochen, weggenommen, nicht einen Nagel in der Wand gelassen.“ Die verlassenen Höfe sind also von Einwohnern der Städte, in Velgast besonders von Barthern, zusätzlich ausgeraubt worden.

1645 wurde von Nikolaus Baumann auf 16 verwüsteten Bauerhöfen, zu denen 24 Hufen Acker gehörten, ein Gutshof in Velgast angelegt, die spätere Domäne. Nikolaus Baumann war der Verwalter der vorpommerschen Güter der Königin Christine von Schweden. Dieser Gutshof war anfangs ein Lehen des Amtshauptmanns Graf Torstenson in Barth. Später ist das Amt Barth und mit ihm der Velgaster Ackerhof wieder königlich schwedisches Lehen geworden. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges waren nur noch drei Dienstbauern in Velgast. Im Westfälischen Frieden von 1648 erhielt Schweden Vorpommern. Velgast kam unter schwedische Herrschaft. Dies hatte zunächst schlimme Folgen für das Land, denn Vorpommern wurde nun Auf- und Durchmarschgebiet im Schwedisch-Polnischen Krieg von 1659, im Schwedisch-Brandenburgischen Krieg 1675 bis 1679 und im Nordischen Krieg 1711 bis 1715. In dem alten Bericht des Pfarrers steht „Brandenburger, Polacken und Dänen drangen ein und besetzten zwischen Johannis (24, Juni) und Michaelis (29. September) 1659 Velgast. Alles begab sich bei der Plünderung wieder auf die Flucht nach Stralsund. Man musste seine Habe größtenteils im Sich lassen, und was die Reuter gelassen, ist von Nachbarn weggetragen worden.“ Als die Einwohner 1660 aus Stralsund zurückkehrten, war alles wüst und leer.

Bis zum Dreißigjähigen Krieg hatte auf deinem Hügel an der Bussiner Grenze eine Mühle gestanden. Außerdem gab es einen Krug, von dem es in der Schwedischen Matrikel heißt: „Bringt wenig ein, da kein Landweg vorbeiläuft. Bier aus Rubnitz, 30 Tonnen jährlich abgezapft.

Das 18. Jahrhundert begann mit neuen Kriegswirren im Lande, im Nordischen Krieg war auch Velgast wieder mit betroffen. Die Regierung erließ ein „scharfes Plakat“, d.h. eine eindringliche, öffentliche Warnung, „sich vor den Feinden als Muskowitern, Kalmücken und der gleichen Barbarischen zu salvieren.“ Die verängstigte Bevölkerung floh in die Städte nach Barth und Stralsund, auch die Einwohner von Velgast. Der damalige Pastor berichtete im Jahre 1712 nach der Rückkehr in das Dorf, es sei ihnen „wieder das Winterkorn nebst Gerste aus den Scheunen und vom Felde genommen“, und da der Czar mit viel tausend Muskowitern im Anzug begriffen, wird’s wohl mit dem lieben Pommernlande genug Stralsunds durch Friedrich Wilhelm I. preußischen Einheiten im Dorf und in der Umgebung, „dass wieder nichts blieb an Korn zum leben.“ Im Verlaufe des Krieges hatten die Dänen ganz Schwedisch-Pommern in ihre Gewalt gebracht: 1716 bis 1721 stand Velgast unter dänischer Oberhoheit.

Dann folgten ruhigere Jahre des Wiederaufbaus. Noch kurz vor dem Krieg war 1706/1707 das erste Predigerwitwenhaus gebaut worden. Der an seiner Stelle 1834 errichtete Neubau steht in etwas veränderter Form heute noch (Ernst-Thälmann-Straße 16). Der damalige Pastor Johann Gottlieb Sparrenberg sen (1735-1771 Pastor in Velgast, gestorben 1773) sorgte dafür, dass die Kirche wieder instand gesetzt und würdig ausgestattet wurde und ein neues Gestühl eingebaut, das erst 1980 im Rahmen der erneuten Renovierung der Kirche entfernt wurde. Aus dem Jahre 1750 stammt der Kanzelaltar; er wurde 1980/1981 aus der Kriche entfernt. 1752 waren Malerei und Vergoldung fertig. Um 1775 wurde ein neues Pfarrhaus gebaut, das erst 1909 nach einem Brand des Pfarrhofes abgebrochen wurde.

Der Pächter der Domäne Velgast, Lieutenant Ernst von Platen ging 1766 Konkurs. Er hatte 1750 für die Renovierung der Kirche 50 Reichstaler gestiftet. Von ihm stammt auch ein großes Gemälde, das über 200 Jahre in der Kirche hing. Es stellte die Kreuzigung Christi und die Umgebung von Geogatha dar. Die zu Füßen des Kreuzes knieende Gestalt in Dragenerunifor ist G. E. v. Platen. Bei der Renovierung der Kirch 1980/81 wurde „dat Bild“, wie es bei den alten Velgastern hieß, leider aus der Kirche herausgenommen. Es ist als Leihgabe in die Franzburger Kirche gekommen.

1758 waren wieder fremde Truppen in Velgast. Preußische Einheiten besetzten im Verlaufe des Siebenjährigen Krieges den Ort. In der Kirchenchronik steht, dass man zwei kleine verstorbene Kinder „des Abends still beisetzen“ musste, weil „des großen Krieges Unruhe es allhie nicht anders erlaubte“.

1788 erfolgte in Velgast die „Separation“ von Hof-, Pfarr- und Bauernacker, d.h. die Neuvermessung und –verteilung der vorher gemeinschaftlich genutzten Flächen. Kurz darauf (1790) legte der damalige Domänenpächter nördlich der Barthe die Meierei an und ließ das umliegende Land, das vorher die „commune Weide“ gewesen war, zu Ackerland umpflügen. Dieser damals noch Holländerei genannte Hof trug bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts den Namen Kleinen-Velgast. Dort standen ca. 80 Kühe. 1792 brannte der gesamte Gutshof einschließlich Wohnhaus nieder. Danach wohnten Pächter viele Jahre in behelfsmäßig eingerichteten Räumen im wieder aufgebauten Pferdestall. Als dieser 1822 erneut abbrannte, zog der Pächter nach außerhalb in einen Ort und bewirtschaftete das Gut von dort aus. Das jetzige Gutshaus ist erst 1833/34 gebaut worden. Die verfallenen Reste der Meierei sind 1970 abgebrochen worden.

1806 nahm die schwedische Regierung eine Neueinteilung der „deutschen Staaten Schwedens“ vor. Damals entstand das Amt Franzburg, der spätere Kreis Franzburg (seit 1928 Kreis Franzburg-Barth), zu dem Velgast dann fast eineinhalb Jahrhunderte bis zur Verwaltungsreform von 1952 gehörte. Im gleichen Jahr wurde die Verordnung über die Aufhebung der Untertänigkeit“ vom 4. Juli 1806 die Leibeigenschaft aufgehoben. In Velgast waren bis dahin alle Einwohner mit Ausnahme der Handwerker leibeigen. Infolge des inzwischen ausgebrochenen Krieges zog sich die Durchführung dieser Maßnahme aber bis zum Übergang des Landes an Preußen 1815 hin.

Im Verlauf dieses Krieges wurde auch Velgast Kriegsschauplatz. Nach der Niederlage bei Jena und Auerstedt besetzten die Franzosen Schwedisch-Pommern und belagerten von Januar bis April 1807 Stralsund. Nach Ablauf eines kurzen Waffenstillstandes rückten die Franzosen erneut in Schwedisch-Pommern ein. Der schwedische König Gustav IV. Adolf hatte seine Truppen zwischen Stralsund und Velgast zusammengezogen. Sein Hauptquartier befand sich in Zimkendorf. Eine französische Division unter dem General Molitor kam von Damgarten auf der alten Heerstraße, der Rostocker Landstraße, deren Verlauf ungefähr dem der heutigen B 105 entsprach. Am Abend des 13. Juli 1807 erreichte er Wiepkenhagen. Die Vorhat der Schweden hatte die Barthebrücke bei Redebas, auch mit Artillerie, besetzt. 2.000 schwedische Soldaten mit 12 Geschützen standen zwischen Velgast und Bussin. Ihr Befehlsstand war im Gutshof von Bussin. Hierher kam am 13. Juli abends auch der schwedische König aus seinem Hauptquartier in Zimkendorf zu einer Besprechung mit seinen Generälen. Am nächsten Tag kam es zum Gefecht in unmittelbarer Nähe Velgast. Dieses Gefecht ging für die Schweden verloren, die sich daraufhin nach Stralsund zurückzogen und dort eingeschlossen wurden. Für seine Verdienste bekam General Molitor von Kaiser Napoleon das Gut Velgast geschenkt. Es folgte eine Zeit drückender Einquartierungen und Kontributionen.

Die Kriminalität in dem besetzen Land stieg steil an. Wegen der „vielfachen im Land verübten Diebstähle und Räubereyen“ und um „das Land von den vielen fremden Bettlern und Vagabunden, welche sich eingeschlichen haben und die Sicherheit besonders der Landbewohner bedrohen“ zu befreien, wurden 1810 im Amt Franzburg erstmals 4 „Polizei-Reuter“, also berittene Polizisten, eingestellt.

Nach 1815 setzte die neue preußische Regierung die bereits von Schweden begonnenen Maßnahmen zur Integration der früheren Leibeigenen fort und begann, die Domanial-Bauernhöfe den Inhabern in Erbpacht zu übergeben. 1839 wurden die Velgaster Höfe an die Inhaber verkauf. Es waren ursprünglich 6 Höfe, von denen um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch 5 zu je ca. 50 ha geblieben waren. Einer davon wurde um die Jahrhundertwende aufgegeben und aufgesiedelt.

Der außerhalb des Ortes am Höveter Weg 14 gelegene Hof ist 1862 aufgebaut worden, er war ebenfalls mit etwa 50 ha Fläche ausgestattet. Dieser und die 4 Großbaustellen im Ort sind nach 1945 in die LPG aufgegangen. Einige sind in Resten im Ortsbild noch erkennbar, andere sind völlig verschwunden. Neben diesen Großbauernstellen gab es noch mehrere „Büdner“ im Dorf – Kleinbetriebe von 4 bis 5 ha, zum Teil auf Pachtland, und einige Nebenerwerbsbetriebe von Handwerkern, die noch kleiner waren. Außer Bauern und Landarbeitern waren bis Mitte des 19. Jahrhunderts bereits etliche andere Berufe im Ort vertreten: Es gab einen oder mehrere Leineweber, Schuster, Reifer, Rademacher, Maurer, Zimmerleute und Grützmüller. Sogar einen „Tobacksplanteur“ nennt das Sterberegister. In der Meierei wirtschaftete ein „Holländer“. Holländer waren Subunternehmer bzw. Unterpächter, die auf den Gütern die Milchwirtschaft auf eigene Rechnung betrieben.

Die preußische Verwaltung nach 1815 brachte vielerlei Neuerungen. Die Forsten wurden neu eingeteilt, die Oberförsterei Schuenhagen entstand. Es gab neues Geld (Münzgesetz vom 30. September 1821), Wegweiser mussten überall aufgestellt werden (Verordnung 12. Juni 1818) und vieles andere mehr.

Im Revolutionsjahr 1848 scheint es auch in Velgast Unruhen gegeben zu haben. Der Pfarrer vermerkt in seinen Aufzeichnungen: „Das tolle Jahr 1848 ist in der hiesigen Kirchengemeinde nicht ohne böse Einflüsse geblieben, da einige unruhige und nichtsnutzige Menschen durch Reden und Schreien eine Aufregung zwar hervorbrachten, die aber an dem guten Sinn der Mehrzahl ohne Wirkung blieb und durch baldige Entfernung der Wühler ohne ´bedeutende nachheilige Nachwehen sich bald wieder legte.“

1859 kam die „asiatische Cholera“ nach Velgast und forderte in 8 Wochen 43 Menschenleben. Die Epidemie war jedoch auf Velgast-Hof und Dorf Beschränkt, in den anderen Ortsteilen gab es keine Todesfälle. Nach den schlimmen Erfahrungen an anderen Orten hatte die Verwaltungsbehörde schnell reagiert. Ein Arzt wurde für die Dauer der Epidemie in Velgast stationiert. Alle Toten, auch die nicht an der Cholera Verstorbenen, mussten innerhalb von 24 Stunden „ohne Sang und Klang“, d.h. ohne alle kirchlichen oder sonstigen Formalitäten beerdigt werden. Schon vorher waren in den dreißiger Jahren die Pocken in Velgast und Hövet zeitweilig endemisch gewesen. Im August und September 1872 gab es 15 Todesfälle bei einer Ruhrepidemie, darunter Carl Robert Arndt, ein Neffe Ernst Moritz Arndts. Er wurde auf dem Friedhof in Velgast begraben. Sein Grab ist nicht mehr vorhanden.

Velgast hatte bei der Volkszählung 1861 508 Einwohner, das war gegenüber 1835 eine Zunahme um 162. 1883 wohnten in Velgast 469 Menschen in 44 Wohnhäusern und 1898 598 Einwohner in 50 Wohnhäusern. Das Absinken der Einwohnerzahl 1883 gegenüber 1861 ist durch das Freizügigkeitsgesetz vom 1. November 1867 zu erklären. Danach durften die vorher ortsgebundenen Einwohner der Dörfer in die Städte ziehen oder auswandern.

Das erneute Ansteigen der Einwohnerzahl 1898 und die Zunahme der Zahl der Wohnhäuser ist eine Folge des 1888 fertig gestellten Baus der Bahnlinie Stralsund-Rostock mit der Abzweigung nach Barth vom Bahnhof Velgast aus. Die Teilstrecken Stralsund-Ribnitz und Velgast-Barth wurden am 1. Juli 1888 für den Verkehr freigegeben, die Teilstrecke Ribnitz-Rostock etwas später am 01. Juni 1889.

Damit wurde Velgast der nach Stralsund bedeutendste Bahnknoten im ehemaligen festländischen Teil des Fürstentums Rügen. Noch bis Mitte der 1990er Jahre fuhren von der Südseite des Bahnhofs auch die Triebwagen, die legendären „Ferkeltaxen“, nach Tribsees ab. Doch dann wurde dieser letzte Teil der einstigen Franzburger Südbahn stillgelegt. Jetzt ist das Gleis zum großen Teil zugewachsen. Letzten Informationen zufolge ist geplant, diese Strecke für den Verkehr mit Draisinen wieder herzurichten.

Auf der Hauptstrecke und der Barther Bahnlinie wurde Anfang Juni 1991 der elektrische Zugbetrieb aufgenommen. Ende 1998 war der Ausbau der Strecke Rostock-Stralsund für eine Maximalgeschwindigkeit von 160 km/h fertig gestellt. Die ursprünglich vorgesehene Herstellung der Zweigleisigkeit zwischen Velgast und Stralsund wurde jedoch wieder verworfen. So passierte es, dass neben dem zu großen Teil neu trassierten Gleis längere Zeit ein „Wald“ aus alten, unbenutzten Oberleistungsmasten stehen geblieben ist.

Gleichzeitig mit der Bahn kam auch die Post nach Velgast. In dem ersten Bahnhofsgebäude war ein „Postamt III. Klasse“ untergebracht, das vom Tag der Betriebseröffnung der Bahn an arbeitete. Eine regelmäßige Postzustellung hat es in Velgast seit dem 1. Januar 1848 gegeben. Damals kam der Landbriefträger von Richtenberg. Seit dem 1. Juli 1850 erfolgte die Postzustellung in Velgast von Löbnitz aus. Später wurde in Redebas ein Postamt III. Klasse eingerichtet, in Karnin gab es eine Postagentur. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurde dann gleichzeitig mit dem neuen Bahnhof ein eigenes Gebäude für die Post errichtet.

Velgast lag immer abseits der großen, durchgehenden Straßen. Die große Ost-West-Heerstraße, die so genannte „Rostocker Landstraße“ verleif nördlich Velgast durch Karnin. Eine Nord-Süd-Verbindung zwischen Barth und Franzburg – Richtenberg über Saatel-Manschenhagen-Sternhagen-Hövet führte westlich an Velgast vorbei.

Die 1847-1850 gebaute Chaussee Stralsund – Damgarten, die bis auf den Abschnitt Stralsund – Martensdorf ungefähr dem Verlauf der alten „Rostocker Landstraße“ folgte, hatte für Velgast keine nennenswerten wirtschaftlichen Folgen, da auch sie nur über den im Frühjahr und Herbst immer wieder grundlosen Landweg Velgast-Karnin zu erreichen war. Bis zum Bau der Chaussee Velgast – Karnin im Jahre 1934 blieb fast jedes Fahrzeug, das sich zu diesen Jahreszeiten nach Velgast wagte, spätestens in einer besonders tiefen und tückischen Stelle des Weges vor dem Ortseingang am Ende der heutigen Straße der Einheit im Morast stecken.

Mit dem Bau der Bahn begann für Velgast endgültig die „Neuzeit“. Es entstanden neue Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft mit allen Folgeerscheinungen im Bereich von Handel und Gewerbe. Diese Entwicklung war in Anfängen bereits eingeleitet, als in den siebziger Jahren die „Kusesche Dampfziegelei“, der erste Industriebetrieb des Ortes, an dem Weg nach Schuenhagen gebaut wurde. Bis dahin hatte es nur je eine kleine Handstrichziegelei in Bussin und in Sternhagen gegeben. Basis für die Arbeit der Ziegelei waren die reichhaltigen Tonvorkommen in der näheren Umgebung. Die Abraumbedingungen waren günstig, durchschnittlich lagen 75 cm Abraum über dem Ton. In den Ton eingelagerte Magnesium- Eisenverbindungen sowie Kalk beeinträchtigten allerdings die Qualität der Steine. Jahrzehntelang war die Ziegelei ein reiner Saisonbetrieb. Produziert wurde nur im Sommer. Während des Winters mussten die Arbeiter den Ton streifenweise frei- und umgraben, damit der Kalk ausfrieren konnte und gelöscht wurde. Das umgegrabene Material wurde jeweils im nächsten Sommer aufgearbeitet. In den zwanziger und dreißiger Jahren waren ca. 25 Arbeiter auf der Ziegelei beschäftigt, die zum Teil im Ort wohnten, zum Teil aber auch aus Nachbardörfern, sogar noch aus Richtenberg täglich zu Fuß oder mit dem Fahrrad kamen. 1932 betrug die Jahresproduktion 3 Millionen Ziegel. Seit 1956 wurde ganzjährig produziert. 1972 erfolgten umfangreiche Rekonstruktionsmaßnahmen, es entstanden neu eine Aufbereitungs- und eine Formgebungsanlage. Die Beschäftigtenzahl betrug 1940 41 Arbeiter und Angestellte. Das Produktionsvolumen umfasste zur gleichen Zeit 8 Millionen Steine jährlich.

Die Ziegelei lieferte auch die Drainrohre für die Drainierung der Felder zur Ackerentwässerung, die nach dem Erlass des preußischen Wassergenossenschaftsgesetzes von 4879 auch in Velgast und den umliegenden Orten überall einsetzte. Vorflutregelungen hatte es schon früher gegeben. Die Genossenschaft zur Räumung der Barthe war 1863 noch auf der Grundlage des alten Vorflutpatents von 1775 gebildet worden. Nach dem Vorflutgesetz für Neuvorpommern und Rügen von 1868 konstituierten sich die Grabenräumungsgenossenschaften für den in der Gemarkung Velgast entspringenden Zipker Bach und für den Wolfsbach.

Damals gab es noch 2 Mühlen in Velgast. Eine alte Bockwindmühle mit einem rohrgedeckten 4-Familienhaus, dem „Moellerkaten“ stand am Höveter Weg ungefähr am Ende des heutigen Sportplatzes. Sie wurde vor dem 1. Weltkrieg abgerissen, der Möllerkaten ist später abgebrannt. Eine zweite Mühle stand auf „dem Mühlenberg“, südlich des Weges nach Altenhagen vor der Abzweigung des Weges zu den Heideausbauten. Sie wurde „Ruhrbarg-Moehl“ genannt und dem Müller Friedrich Christoph Rohrberg, der sie wahrscheinlich um die Mitte des 19. Jahrhunderts, hatte bauen lassen. Nach einem Brand wurde sie Mitte der dreißiger Jahre des 20. Jh. Aus einer bei Greifswald abgebrochenen Mühler wieder aufgebaut. Ihre Ruine ist 1972 abgerissen worden.

(Die Ausführungen zur Geschichte der Gemeinde entstanden unter Beiziehung der Chronik des Ortes Velgast von Gerhard-Joachim Allwardt.)